Antennenbau in luftiger Höhe

 

 

1996 war für mein Funkerleben ein besonderer Meilenstein: Ich hatte nach einem Jahr wöchentlichem Training zusammen mit Hans und Geli die Morsetelegraphie erlernt und dank den Erklärungen von Hans auch die Technikprüfung geschafft. So hatte ich nun die höchste Stufe der Amateurfunklizenz erreicht und somit die Berechtigung, am Amateurfunk auf der Kurzwelle teil zunehmen.

 

Die Freude war natürlich riesig, aber zum Betrieb gehört immer noch ein Gerät, und zum Gerät eine Antenne. Beides kann man kaufen… oder selber bauen, aber ein Gerät und Selbstbau? Nö, so gut war ich dann doch noch nicht, dass ich mir das zutraute, also wurde die damalige „Regierung“ gefragt, ob ich mir ein adäquates Gerät anschaffen darf. Meine Ex sah das Leuchten in meinen Augen und stimmte dann mit einem lieben Lächeln in den Augen zu. Die Tage, bis das Gerät endlich im Haus war, kamen einem endlos vor.

 

Der Platz auf dem Funkschreibtisch war schon vorbereitet, anstatt einem teuren Netzgerät stand neben dem Schreibtisch eine große Autobatterie, die über ein Ladegerät gepuffert wurde. Und als Antenne? Ja…. das war dann doch noch so ein Problem…. Zwar konnte ich einen fast 20m langen Draht vom Ahorn durch den Kirschbaum entlang dem Haus durch den Haselnuss zur Tanne spannen, aber die Lösung war alles andere als gut. Aber, man nimmt, was man bekommt und erfreut sich über die schönen Verbindungen rund um die Welt. Nett in Erinnerung geblieben ist mir die Verbindung auf dem 15m-Band nach Paraguay zu einem ausgewanderten Deutschen, der sich dort mit einer Baufirma selbstständig gemacht hatte. Ich saß am Schreibtisch, 90° nach links gedreht, die Füße auf dem sehr warmen Heizkörper, draußen auf dem Balkon häufte sich der Schnee an, zwischen den Zweigen suchten Amseln und Spatzen nach was fressbarem und mein Gesprächspartner erzählte mir, dass er gerade Pause macht, bei 27 oder 28 Grad auf seiner Terrasse in der Hängematte liegt, einen Longdrink schlürft und sich von seinem Diener versorgen lässt… 10 000 km zwischen uns und doch waren wir uns so nah, dass wir das Gefühl hatten, wir könnten uns die Hand reichen!

 

JA, aber jetzt wollen wir mal der Überschrift Genüge tun und die besagte Aktion erzählen. Ich wohnte im elterlichen Haus im Erdgeschoß, wobei Erdgeschoß etwas erklärt sein muss:

 

Vorne am Haus gab es ein Untergeschoß, das ebenerdig war, dann das Erdgeschoß, in dem ich wohnte und das Garagendach als Terrasse nutzen konnte. Darüber wohnte mein Vater, noch eines höher waren die Dachwohnungen, und da drüber die Dachkammern. Kurzum, es waren ungefähr 5 Etagenhöhen vom Giebel bis zum Boden. Hinten am Haus war meine Wohnung dann ebenerdig, deswegen nannte sich meine Etage eben Erdgeschoß.

 

Aus dem Verein erfuhr ich, dass ein Oldtimer unserer Funker verstorben war und sein Sohn die ganzen Funksachen verkaufen und verschenken möchte. Bei dieser Aktion habe ich dann eine große Funkantenne mit drei Elementen ergattert für 50 Euro! Zwar schon sehr in die Jahre gekommen, aber durchaus für den Praktiker noch zu gebrauchen. Richtig, diese Antenne wollte also unbedingt da vorne am Dach auf den Giebel montiert werden. Keine Frage, kein anderer Platz käme dazu besser in Frage als diese Stelle!

 

So habe ich einmal im Freundeskreis einen Hilferuf losgelassen und einige helfende Hände waren mit dabei. Der Mast mit 2m Länge war etwas unhandlich, weil auch schwer, aber eigentlich recht zügig gesetzt, der Rotor zum Drehen der Antenne schnell draufgesetzt und der Maststummel für die Antenne war auch gleich drauf. Jetzt aber kam das lange Trägerrohr, auch Boom genannt. Mit seinen 6,8m Länge dann doch noch etwas unhandlicher und irgendwie auch nicht so einfach zu fassen, weil es ein ganzes Stück dicker war.

 

Wir jonglierten dort oben auf dem Giebel herum wie Drahtseiltänzer im Zirkus, nur hatten wir einen kleinen Unterschied: Wir hatten kein Netz und auch die Absicherung…. Ja…. Etwas spärlich, um mal nicht zu übertreiben. Oder ehrlich gesagt, wir tanzten dort oben ohne jegliche Sicherung herum! Meine Güte, wenn ich heute darüber nachdenke….


 

 

Jetzt stellt euch vor: Das Dach ist so steil, dass man nicht darauf stehen kann, man muss also auf allen Vieren hin und her krabbeln. Auf den Dachgauben kann man frei stehen, aber so ganz so einfach ist das auch nicht. Und zur Montage der drei Elemente, von denen das kurze etwas mehr als 6m lang war und das Lange etwas mehr als 7m lässt die Dimension erkennen, mit der wir dort oben auf dem Dach zu kämpfen hatten. Ich stand also, (bitte genau vorstellen!!) aufrecht oben auf dem Firstziegel, mit der einen Hand hielt ich mich am Boomrohr fest, gleichzeitig fixierte ich mit den Fingern dieser Hand das aufgelegte Strahlerelement, um dann mit der zweiten Hand die Schrauben einzudrehen und fest zu ziehen! Diese Prozedur machte ich drei Mal, bis alle drei Elemente fest gezogen waren. Nochmal einmal vor und einmal zurück, um wirklich sicher zu sein, dass alles fest ist und fertig war die Arbeit.

 

Eigentlich müsste es dazu einen Video geben, denn ein Nachbar weiter unten war von der Aktion so angetan, dass er die ganze Zeit au7f dem Balkon verbrachte und seine Videokamera drauf hielt. War der jetzt Sensationsgeil und hoffte auf den Absturz?

 

Einige Zeit später, nachdem dann alles auf dem Dach bereinigt war, der Mastziegel abgedichtet und alle wohlbehalten wieder abgestiegen waren, ging es natürlich sofort geschlossen vor das Funkgerät, man will ja wissen, ob sich der Aufwand gelohnt hat.

 

Rotor einmal gedreht auf Richtung Südwest, der Uhrzeit entsprechend das 20m-Band gewählt und siehe da, gleich waren einige Brasilianer zu hören, laut und deutlich! Antenne nach Nordwest und ein paar US-Amerikaner waren zu hören! Hei, das machte Freude und motivierte für weitere Funktage und –nächte.

 

Heute würde ich es meinem Sohn verbieten, so auf dem Hausdach herum zu turnen! Okay, mein Vater hätte es mir auch verboten, wenn er es wirklich so mitbekommen hätte.

 

Tja, aber wie das Leben einer Funkantenne so spielt, 2003 bin ich dann in mein eigenes Haus gezogen und hab dann mit meinem Funkfreund Hans die Antenne wieder abgebaut. Diesmal durchs Klettern mit der richtigen Ausrüstung unterwegs waren wir beide top gesichert, sodass es eigentlich schon fast keinen Nervenkitzel mehr war. Was in mehreren Stunden damals montiert wurde, war in einer dreiviertel Stunde abgebaut. Und als Abschiedsgeste habe ich mit Hans zusammen die Abendstimmung mit Aussicht über das Tal genossen und ganz vorne auf dem Giebel im Schein der schon orangen Sonne ein Weißbier getrunken!

 

Heute Nachmittag war ich bei meinem Funkfreund Stavi auf dem Dach und habe an seinem Antennensystem eine Leitung ausgewechselt. Nein, es war nicht so arg hoch, gerade mal 1 ½ Stockwerke, das Dach hat gerade mal 40° Neigung, sodass man bequem auf allen Vieren hochmarschieren kann. Für mich ein Spaziergang, für Ihn kaum auszuhalten, weil er ja schon beim Gedanken auf eine Bockleiter zu müssen, Schwindelanfälle bekommt….

 

 

Die Dächer der Stadt, nicht nur das zu Hause des Kaminfegers, sondern auch ein Stück das zu Hause eines Funkamateurs…