Der Ferienjob

 

 

Im September 1986 war ich mit der Bundeswehr fertig und eigentlich darauf vorbereitet, mein Studium zu beginnen. Tja, hätte ich vorher den Herrn Clausus gefragt, den Herrn Numerus Clausus, tja, der hätte dann gleich gesagt, dass ich mich nicht so zu beeilen brauchte…. Also habe ich mich nach einem Job umgesehen, um die kommenden Monate wenigstens etwas Geld zu verdienen. Ach wie gut, dass man eine Freundin hat, die einen Vater hat, der einen Betrieb  hat, der gewerbliche Mitarbeiter sucht, die auch handwerklich begabt sind.

 

So gesehen war es die einfachste Bewerbung um einen Ferienjob, die ich je hatte. „Hallo Schwiegerpapa in Spe, deine Tochter hat gesagt, du würdest jemanden suchen? Ja? Okay, dann stehe ich am Montag in Arbeitskleidung vor dem Tor….“ Genau so war das damals, keine umständliche Bewerbung… Er war ja der Chef, der Eigner, der kann das so machen…. J

 

Ich also in kariertem Flanellhemd und schon von der Ausbildung etwas gelittenen Latzhose auf zu neuen Horizonten! Kurz in der Chefetage Hallo gesagt und vom Meister abgeholt worden. Der hatte schon vom „Chef“ erfahren, dass ich Autos reparieren kann und auch sonst ein glückliches  Händchen für alle möglichen Sachen habe. Indirekt freute mich das natürlich, weil ich dachte, da bekommst dann auch gleich einen etwas anspruchsvolleren Job als nur ritsch-ratsch nächstes Teil….

 

War dann auch so. Naja…. Fast, also um genau zu sein…. Ich musste eigentlich nur bis 240 zählen können… oder so in der Größenordnung, genau weiß ich das nimmer aber, ich war Herr der Sägemaschine und durfte für einen Auftrag Stahlteile absägen. Es waren viele! Sehr viele. Immer Schraubstock auf, Rohmaterial vor bis zum Anschlag, Schraubstock zu und schön langsam mit Gefühl das rotierende Sägeblatt auf den Stahl setzen und gleichmäßig  durchrattern lassen…. Erstaunlich, über was man bei so einem Job alles nachdenken kann! Ich war ja kurz davor, nebenher irgend ein Buch zu lesen…. Am nächsten Tag war ich dann mit der Stückzahl durch und der Meister mit der Arbeit zufrieden. Er zog mich von der Maschine ab und fragte, ob ich denn schon mal geschweißt hätte. Klar, in der Ausbildung elektrisches Schweißen gelernt, autogenes Schweißen und auch Hartlöten. Gut, meinte er, dann lernst du jetzt noch Aluminium schweißen.

 

Zum Verständnis mal kurz erklärt: Die Firma baute Kegelbahnen und Tontauben-Wurfmaschinen, bei denen praktisch alles selbst gefertigt wurde. Die ganzen Mechaniken zum Aufstellen der Kegel und Pins beim Bowling oder diese Wurfmaschinen sind alles konstruktive Machenschaften dieser Firma gewesen und waren alle selber entwickelt. Also wurden auch alle noch so komisch aussehende Teile selber gefertigt.

 

Meine Aufgabe war es jetzt, Vierkant-Aluminiumprofilrohre mit einem Querschnitt von 80x80mm auf eine Aluminiumplatte aufzuschweißen. Eigentlich kein Problem. Aber es bedarf dann doch etwas Fingerspitzengefühl.

 

Man sitzt also auf einem Hocker ohne Lehne, eingepackt in dickstes Leder mit Handschuhen bis zu den Ellbogen, Gesichtsmaske und Schild vor dem Profil, das man vor sich so aufstellt, wie man es braucht. Dann wird mit einer Elektrode ähnlich wie beim Schutzgasschweißen unter einer Argonatmosphäre ein Lichtbogen erzeugt, der das Material langsam erhitzt. Nach einer gewissen Zeit sieht man dann das Aluminium schmelzen und führt dann von außen mit einem dünnen Aluminiumstab weiteres Aluminium zu, sodass sich die schöne Schweißnaht fast von selbst einstellt. Klar, meine Künste aus der Ausbildung und den vielen Schweißarbeiten, die ich bis dahin schon gemacht hatte, haben mir hier gut geholfen, sodass ich bereits nach zwei Übungsteilen die „richtigen“ Teile  schweißen durfte.

 

Wer schon mal über Lichtbogenschweißen etwas gelesen oder gehört hat, der weiß, dass dabei sehr starkes UV-Licht entsteht, das an ungeschützten Stellen schlichtweg einen Sonnenbrand verursacht. Ja, ich war gut eingepackt. Oder sagen wir mal so, vom Prinzip her schon, bis auf dieses kleine Eck oben am Hemdkragen, so direkt am Hals….Ja, hier schauten immer so ein, zwei Quadratzentimeter raus, die vom Licht des Lichtbogens getroffen wurden. Nicht immer, aber immer, wenn ich eine ganz bestimmte Haltung eingenommen hatte. So konnte ich an diesem Tag zwar noch komplett arbeiten, aber bereits am Abend zu Hause unter der warmen Dusche spürte ich, dass hier eine intensive Nachpflege notwendig war.

 

Am nächsten Tag hab ich kurzer Hand einen Streifen Klebeband über diese Stelle gepappt, so war dieses Problem auch gelöst.

 

Die Arbeit lief gut von der Hand und ich war nach ein paar Tagen auch richtig schnell. Und wie ist das, wenn alles gut läuft und in Routine übergeht? Richtig, irgendwann passiert einem ein gedankenloser Fehler. Wie die meisten wissen, ist Aluminium ein sehr guter Wärmeleiter. Wenn also unten geschweißt wird und das Aluminium bei 600 Grad schmilzt, dann ist so 25cm weiter oben an diesem Profil mit Sicherheit immer noch verdammt heiß! Als Schweißer weiß man das. Deshalb hat man die Teile auch immer mit dem dicken Handschuh angefasst und nur einen halben Meter weiter zum Abkühlen hingestellt.

 

Warum auch immer, an diesem Tag, in diesem Moment, keine Ahnung, wo da meine Gedanken waren, ließ mich irgendetwas nicht ganz bei der Sache sein. Ich vollendete meine Schweißnaht, legte den Brenner auf die Seite, nahm mein Schweißschild ab, zog die Handschuhe aus…. Und griff von oben auf das Profil, um es auf die Seite zu schieben….

 

Noch irgendwelche Fragen? Unklarheiten?

 

Alle 5 Fingerkuppen aber sowas von verbrannt! Die Haut war schneeweiß, der Schmerz aber sowas von herb! Zum Glück stand gleich neben dem Arbeitsplatz ein Eimer mit Wasser, aber die Verbrennung war top! Denn ist ja klar, ich hab ja nicht nur leicht angepackt, sondern so richtig, weil ich das Teil ja hochhalten musste zum auf den Tisch übersetzen. Und bei so einer Gedankenlosigkeit brauchts auch seine Zeit, bis das im Hirn ankommt!

 

Nicht nur dieser Tag war gelaufen, auch an den folgenden Tagen der Woche war an Schweißen zumindest nicht mehr zu denken. Ich hatte 5 verbrannte Finger, auf denen jeweils eine schöne Brandblase prangte! Zum Glück war es die linke Hand, sonst wäre ja wirklich noch viel weniger gegangen.

 

Also hier die Erkenntnis eines Ferienjobbers: Arbeiten ist gut. Gut arbeiten ist besser. Aber gedankenloses Arbeiten wird oftmals hart bestraft!

 

 

Nach einer Woche, als alle Blasen soweit offen waren und alles anfing, abzuheilen, stand ich wieder in der Werkstatt und habe einen anderen Job machen dürfen. Aber zu einem war es gut, ich konnte jetzt behaupten, ich kann auch Aluminium schweißen!