Die falsch gebohrten Adapterplatten

 

Hier ein nettes Erlebnis aus meiner Anfangszeit im Bürojob, bei dem es noch kein SAP gab und es auch noch üblich war, manchmal in der Werkstatt selber Hand anzulegen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch eine sehr überschaubare mechanische Fertigung in der Systemtechnik und dort arbeiteten zwei Kameraden, mit denen man oftmals mit der Hardware zusammen den Aufbau besprach, sie fertigten die benötigten Adapterplatten und Winkel, schraubten alles zusammen, machten auf DinA4 oder DinA5-Zettel Ihre Handskizzen und später wurden dann von unserem Konstrukteur diese Skizzen in Zeichnungen und Pläne verwandelt. Das ging sehr gut, so konnte man schon beim Zusammenbau erkennen, was man wie verbessern kann.

 

Allerdings hatten Hans und Fredy, unsere zwei Mechaniker, einen kleinen Nachteil: Der Tag begann immer etwas träge mit den beiden und erst im Laufe der Stunden wurde die Stimmung etwas leichter und bis zum Feierabend waren beide immer erst so richtig in Fahrt. Montags war der Effekt noch nicht so ausgeprägt, aber Freitags war es besser, wichtige Dinge, bei denen es auf Präzision ankam, auf Montagnachmittag zu verschieben…. Denn die Stimmung kam nicht von irgendwoher, nein, sie befand sich in handlichen Blechdosen mit leicht berauschendem Inhalt..

 

Doch an diesem Freitag war irgendwie die Arbeit aufgelaufen und so mussten die beiden noch nach dem Mittag mehrere Adapterplatten mit der ungefähren Größe 500mm x 800mm mit Bohrungen und Senkungen versehen, weil der Endkunde angekündigt hat, dass er übers Wochenende Montieren will und die Platten braucht. Also gingen Hans und Freddy grummelig an die Arbeit, obwohl die beiden eigentlich ab 13 Uhr immer geputzt haben und die restlichen Bierdosen gelehrt… (Nur mal so am Rande: Freitags haben die beiden immer Ihre leeren Dosen abgegeben, das waren in der Regel zwei gelbe Säcke voll!!! Das war deren „Trinkleistung“!!)

 

Nu denn, Freddy zeichnete die Aluminiumplatten an, Hans stand an der Bohrmaschine und Bohrte. Die ersten beiden Platten waren noch okay, aber dann verrutschte Hans beim Bohren in der Reihe und überall, wo ein Gewinde rein sollte, prangte dann ein Durchgansloch. Also, Platte in den Schrott, neues Material her, noch einmal. Wieder eine Platte später stellte er dann fest, dass er „aus versehen“ alle Senkungen in der Platte von der falschen Seite ausgeführt hatte. Also auch diese Platte ab in den Schrott und nochmal eine neue Platte aufgesetzt. Mittlerweile war es schon kurz vor 15 Uhr und normalerweise gingen die beiden um 15 ins Wochenende. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden gerader mal drei fertige Platten erstellt und es sind nochmal drei Platten notwendig gewesen. Um 15 Uhr kam ich mit meinem Kollegen in die Werkstatt, um zu sehen, wie weit wir sind. In genau diesem Moment fängt Hans an in den besten Tönen zu Fluchen mit Wörtern, die mir mein Anstand verbietet, hier zu nennen. Was war passiert? Er war gerade dabei, die letzte Reihe mit Bohrungen zu setzen, als er feststellte, dass Freddy die vorherige Reihe falsch angezeichnet hatte. Mit dieser Leistung allerdings hatten die beiden das komplette Rohmaterial verbraucht, das für diesen Plattentyp vorhanden war.

 

Ich stand mit meinem Kollegen am Anreißplatz und beobachteten den Wutausbruch von Hans aus sicherer Entfernung. Dieser warf die Platte laut scheppernd in die Ecke, drehte sich um, und machte Feierabend. Allerdings war seinen Bewegungen der deutlich überhöhte Pegel der Promille deutlich anzusehen. Aufgrund seiner Brüllerei ist der Rest der Kollegen aus der Fertigung zusammen gelaufen und auch der Meister gesellte sich dazu. Ohne großes Theater war eigentlich sofort klar, wer sich jetzt um was kümmert. Der Meister schickte seine zwei „Spezialisten“ in die Umkleide und ging zum Anreißplatz, um die letzte Platte zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, ich zog mein Hemd aus, streifte ein T-Shirt über und ging an die Bohrmaschine und begann mit der neuen Platte zu Bohren, mein Kollege nahm den Telefonhörer ab und rief eine benachbarte  Metallfirma an und orderte noch zwei Platten mit den richtigen Abmessungen und marschierte los, die gleich ab zu holen. Unser Chef rief sofort den Kunden an, damit dieser nicht zu früh bei uns vor der Türe steht und wir noch genügend Zeit hatten, alles auf die Reihe zu bringen. Hier zeigte sich wieder, dass es durchaus eine feine Sache sein kann, wenn man mal einen mechanischen Beruf erlernt hatte.

 

 

Pünktlich um 16.30 Uhr konnten dann die fertigen Platten dem strahlenden Kunden übergeben werden. Die teuersten Platten, die wir so gesehen je produzierten, 50% Ausschuss und gefertigt durch zwei Projektingenieure und einen Meister…