Papa, ich will ein Mokick!!


Kaum war ich der Vorpupertät entsprungen und hatte mich an Jeansjacke mit Lederbesatz gewöhnt, das Haar, das ich da noch hatte, etwas länger getragen, musste natürlich die Mobilität erhöht werden. Klar, das Fahrrad tat seinen guten Dienst, aber da waren eben die Kumpels, die diese knatternden Geschosse fuhren, die für die Werbung beim anderen Geschlecht und Behaupten gegenüber der Konkurrenz unbedingt notwendig wurden.

Papa, ich brauche auch so ein Teil!
Ne, mein Junge, sowas kaufe ich dir nicht!!
Mensch Papa, alle haben so ein Fahrzeug, nur ich nicht!!!
Nein, das gibt’s von mir nicht!

So begann die Zeit mit einem Tiefschlag, der hart gesessen hat. Bockig, wie man nun mal auf solch eine Wunschablehnung reagiert, hatte ich mich in mein Zimmer verzogen. Wie konnte mein Vater aber auch nur so hart reagieren! Ich hab doch extra gewartet, bis mein Schwager auch da war, hatte ich mir doch Rückendeckung davon erhofft. Aber wie das Leben so spielt, mancher Schuss geht nach hinten los. So meinte er nur ganz lapidar: Junge, wenn du so ein Gefährt haben willst, dann musst du es dir selber verdienen! Ich habe mir mein Moped auch selber verdient, weil ich nicht mal einen Vater hatte, der mir eines hätte kaufen können.

So ein Krampf! Da hatte er natürlich recht. Wer auf die Brieftasche von jemand anderes angewiesen ist, muss nehmen, was kommt. Und da kam eben nur das Taschengeld. Zwar doch regelmäßig, aber es waren nur 40DM. Hey, so schrumpfte nach kurzer Überlegung mein Traum vom Mokick über ein Moped zum Mofa Puch X-30 zum Automatikmofa Solo.

Welch ein Frust!

Nein, das kann es doch nicht sein!! So langsam erholte sich dann mein Ego wieder und ich versuchte in einer ruhigen Stunde mit meinem Vater zu verhandeln. So nach der Tour: Kompromissbereitschaft zeigen, Hilfsangebote machen, …. Aber nein, „Chef“ war hartnäckig. Mist! Großer Mist! Also wurde der Traum vom motorisierten 2-Rad auf manuelles 2-Rad reduziert.

Ich also aktiv auf der Suche nach einen gebrauchten Mofa, was denn die Dinger so kosten. Okay….. es muss nicht eines von Solo sein, sowas galt in der Clique als „Sozialfahrzeug“, wenn ihr versteht, was damit gemeint war. Neee, dann doch lieber Fahrrad….

Und hey, wie das Schicksal so ist, kam plötzlich einer aus der Clique daher und hatte ein Moped im Schlepp. Eine Zündapp Combinette, Baujahr 1956!! Ein heißes Geschoß! Sowas hat nicht jeder! Fast perfekt, fast komplett! Ja, es fehlten so ein paar Teile….. kein Scheinwerfer, kein Zündschloss, keine Kupplung, keinen Gepäckträger, kein Rücklicht, abgefahrene Reifen, die Griffe fehlten, der Sattel war ein Fahrradsattel…. Also praktisch ein komplettes Fahrzeug!! :-)

Der Kollege wollte 20 Mark dafür. Gut. Er ließ nicht mit sich handeln. Keinen Pfennig. Egal. Drei-zwei-eins-Meins! Mann war ich stolz! Ich hatte ein Moped. Es fehlten zwar noch ein paar Kleinigkeiten zum Zweiradglück der Schmalspurrocker, aber der Anfang war gemacht. Ab nach Hause!

In der Garage dann geschraubt, zerlegt, geputzt, repariert, gewienert, lackiert, gerade gebogen, Ersatzteile selber gefertigt und…. Ganz wichtig!! Mein Schwager hat mir bei Zündapp in München die fehlenden Teile für die Kupplung besorgt! Ach, da war doch noch was…. Die kosteten ja Geld…. Was ja nicht ganz so in rauen Mengen vorhanden war…. Na gut, eine Woche Ferien bei Schwager in der Firma, dreckige Kleinteile in Lösungsmittel waschen (Würde es heute so niemals geben!!!) millionsiebzehn Kleinteile sortieren und zählen, verbrannte Ölreste, die fürchterlich stanken aus so komischen Teilen waschen, kurzum, ein Drecksjob, der mir aber 250 Mark einbrachte und viel Wissen in mechanischer Bearbeitung brachte.

Mit diesem Geld dann die Teile bezahlt und das Moped auf Hochglanz gebracht. Es trennten mich nur noch wenige Tage vom Tag der Tage, nämlich der ersten Probefahrt mit Versicherungskennzeichen. Ich hatte alles zusammen, alle Papiere, TÜV, Geld für die Versicherung! Doch da kam mein Vater, schaute das Gefährt an und meinte nur:

Junge, auf dieses unsichere Ding steigst du mir nicht!

Ha, jetzt war ich aber in wesentlich besserer Ausgangslage! Nö, Papa, dieses Fahrzeug hab ich mir hart erarbeitet, hat mich Schweiß und blutige Finger gekostet. Dieses Fahrzeug kann ich mir leisten, das wird es sein.

Da setze sich mein Vater zu mir auf die Bank und meinte ganz ruhig: Junge, mir ist das zu unsicher, zu alt, zu wackelig. Was meinst du, ich leihe dir das Geld für ein vernünftiges Mokick, das du nach zwei Jahren wieder verkaufst und dann den Erlös zurück gibst. Wäre das eine Lösung?

Hey Leute, das war eine Riesenfreude und eine Enttäuschung in einem. Ich war stolz auf meine Combinette, Rot-Schwarz lackiert, in mühevoller Kleinarbeit alles zum Funktionieren gebracht. Aber der Reiz, einen Zweisitzer zu bekommen, der dann auch noch echt gut war, das war schon ein Gedanke wert….


Kurzum, am nächsten Tag schob mein Vater eine Yamaha FS-1G die Einfahrt herein und meinte: Junge, etwas putzen, einmal Kundendienst machen, dann läuft die wieder, die stand beim Nachbarn in der Garage seit zwei Jahren…. Okay, dieses Fahrzeug war nicht eines, das den Designerpreis gewonnen hat, aber es hatte alles, wovon man träumen konnte! Ja, es hatte sogar Blinker! Und Bremslicht! Wie ein richtig großes!! Ich war gerettet, mein Ruf war gerettet. Heute denke ich: Wie interessant, was damals einem wirklich wichtig war...

Hier an dieser Stelle möchte ich meinem Vater danken. Dieses Mokick hat mich vielleicht vor weiteren körperlichen Schäden bewahrt, meinen Geldbeutel sicher mehr geschont, weil es zwei Jahre mehr oder weniger zuverlässig lief! Und danke auch an meinen Schwager. Auch wenn ich ihn in dem entscheidenden Moment an die Wand hätte tackern können, es war der richtige Weg. Die Arbeit hat mir damals sehr die Augen geöffnet, wie hart jede einzelne Mark verdient werden muss. Seine Konsequenz gepaart mit Lösungsansätzen hat mein Verhalten für die Zukunft geprägt!

Ich war stolz, eines der hässlichsten Mokicks gehabt zu haben. Es wurde nie etwas geklaut. Es lief mit der Freundin auf dem Rücksitz genauso schnell wie ohne. Ich war jung, verwegen, trug eine Lederjacke und war mit dabei! Eine Zeit, an die ich heute noch zurückdenken kann, weil sie viel in mir bewegte!