Urlaub am Chiemsee,  die Kampenwand

 

 

Urlaub am Chiemsee begleitete mich ja mehrere Jahre meiner Jugend und hinterließ sehr viele Eindrücke, die ich einerseits heute noch förmlich spüren, riechen oder gar schmecken kann, andererseits war es aber auch so normal, dass manche Dinge gar nicht mehr präsent sind.

 

Eines war aber immer der Fall, mindestens einmal, meist zweimal ging es zu einer größeren Bergtour in die Alpen. Reit im Winkel, Garmisch, Berchdesgaden, Königsee, Watzmann, alles Namen, die mir so vertraut sind wie die Heimat hier. Nur möchte ich gleich mal vorab sagen, dass ich mich an einen bestimmten Ausflug nur noch vage erinnere, das war der Ausflug nach Salzburg. Prägnant war, es regnete. Dauernd. Die ganze Zeit. Meine Schuhe drückten, eine Blase machte sich an der Ferse breit, meine Eltern versuchten mich auf zu muntern, aber selbst im Kaffee, schmeckte die heiße Schokolade nicht, der Kuchen hatte so komische Körnchen drin und das Auto stand immer noch am anderen Ende der Stadt.

 

Nein, wirklich, Salzburg hab ich aus Kindersicht nur in schlechter Erinnerung.

 

Aber die anderen Ausflüge, die hatten was! So war der Ausflug auf die Kampenwand der für mich erste Ausflug, an den ich mich erinnern kann, vielleicht auch für mein damaliges Alter der spannendste Ausflug überhaupt! Wann kommt man schon auf einem Berg an Stellen vorbei, an denen es fast senkrecht viele Meter abwärts geht?

 

Natürlich gab es auch eine Bergbahn, die man hätte nehmen können, aber man wollte ja Bergwandern, hieß es. Heute weiß ich, meine Eltern hätte nicht das Geld gehabt, die Tickets zu kaufen. So arbeitete man sich Kurve für Kurve den Bergweg nach oben und staunte über alles, was man entdecken konnte und ich in meinem kurzen Leben noch nicht kannte. Lustig geformte Bäume an der Baumgrenze, schöne Blüten, den blauen Enzian, den Bergbock, ein sehr seltener Käfer mit sehr langen Fühlern und natürlich viele schroffe Felsen und Steine. Wer aber weiß, wie Energiegeladen Kinder sind, dann bin ich mit meiner Schwester zusammen wahrscheinlich die doppelte Wegstrecke gelaufen. Zumindest am Anfang. Später dann meldete sich meistens das Schuhwerk bei mir, hinten an den Fersen, da hat so manche Tour ihre Blase hinterlassen. So wurde man dann vom Vater einige hundert Meter getragen, bis dann doch die Neugierde einen packte und der erste Schmerz vergessen war.

 

Eine besondere Erfahrung trug sich dann auf halber Höhe zu. Ingeborg, die Nachbarstochter vom Campingplatz war auch mit dabei. Ich selber hab kaum mehr eine Erinnerung an sie, nur eines weiß ich noch, sie trug eine Feuerrote Bluse, die sie sich vor dem Bauch verknotete und ihre Mutter fast schon entsetzt war, wie ihre Tochter herum lief. Und so gekleidet kam sie dann auf dem Berghof an. Dazu gleich mehr. Links rauf ging es noch zum Gipfel, doch da hatte ich keine Lust mehr dazu, weil dann doch die Fersen sehr schmerzten, der Hüttenwirt hat auch meinen Eltern davon abgeraten, mit einem kleinen Kind vollends rauf zu gehen. Okay, mit einem kleinen Kind…. Hat hier irgendwer ein kleines Kind gesehen??? Also setzte man sich vor das Haus in die Sonne und machte eine Vesperpause.

 

Um den Berghof gab es viele Felsen, die von uns Kindern beklettert wurden. Aus heutiger Sicht wahrscheinlich mehr Spielzeug als Felsen, aber wir hatten einen riesen Spaß, waren die Reinhold Meßners der Kampenwand und bezwangen jeden Gipfel!

 

Und jetzt zurück zu Ingeborg. Ich weiß nicht mehr warum, aber wahrscheinlich lag es an ihrem Temperament, dass die Stimmung etwas schief lag, denn sie lief alleine ein ganzes Stück vor der Gruppe voraus und ignorierte auch den geplanten Weg der Gruppe. Sie blieb dann einfach eine Weile an einem Gatter stehen, hinter dem sich eine Kuh befand. Die Kuh war neugierig und kam zu ihr her, lies sich die Stirn kraulen und schließlich leckte sie hingebungsvoll die Hand von Ingeborg. Nach dieser Begegnung hatten sich die Gemüter beruhigt und sie stieß wieder zu uns in die Gruppe und erzählte freudig von Ihrer Begegnung mit der „Kuh“! Da schaute mein Vater nur kurz rüber und meinte dann: „Ingeborg, deine vermeintliche Kuh ist ein Stier…. !“ Alle drehten schlagartig den Kopf Richtung Gatter und tatsächlich, diese Kuh hatte keinen Euter…. Das war sehr eindeutig zu sehen, das war ein Stier!

 

Zuerst ein Schreck, dann erlösendes Gelächter… hatte Ingeborg mit feuerroter Bluse dem Stier die Stirn gekrault…. (Ja, ich weiß, heute wissen wir alle, dass ein Stier auf die Farbe Rot alleine gar nicht reagiert, aber damals hielt sich noch das Gerücht.)

 

Was mich heute, 2014 noch am meisten beeindruckt, wenn ich auf Google Maps die Gegend anschaue, ich weiß noch genau den Weg, ich weiß an manchen Stellen noch exakt, wie es damals dort ausgesehen hat. Auch heute gibt es noch die Alm auf halbem Weg, an der wir einen Schluck getrunken haben, es gibt sogar noch den kleinen Tümpel in der vorletzten Kurve vor dem Berghof.

 

Wer heute die Karte anschaut, de sieht südlich vom Berghof den Kampenwandsteig, der besagte Weg, den man „mit kleinem Kind“ nicht gehen sollte. Meine Schwester war dort oben und hat auch bestätigt, dass es abschnitte gab, die fast senkrecht viele Meter in die Tiefe gingen.

 

An den Rückweg kann ich mich jetzt nur noch dunkel erinnern. Ich weiß nur noch, dass die letzten hundert Meter bis zum Parkplatz der Kampenwandbahn eine schier unüberwindliche Strecke darstellen.

 

 

Zurück am Campingplatz war dann der erste Weg in die Badesachen und ab ins Wasser zum Erfrischen! Die Qualen der Schuhe waren vergessen und die Erinnerungen blieben bis heute! Vielleicht sollte ich mal wieder Urlaub am Chiemsee machen und alte Wege neu entdecken…