Mama, ich hab keinen Hunger mehr….

 

 

Ich war noch recht klein, so der sprichwörtliche „laufende Meter“, als meine Eltern eigentlich regelmäßig am Wochenende irgendwelche Unternehmungen planten, um den kleinen Wirbelwind müde zu bekommen. Wandern auf die Burg Teck oder Ruine Neuffen, Ruine Reußenstein, Kappelberg, Kernenturm, Bad Urach, Hohenurach, Uracher Wasserfall, ich könnte die Liste noch um einiges erweitern, das waren all die Ausflüge, die wir drei Kinder nicht nur einmal mitmachen durften.

 

Es war immer wieder schön, aber auch manchmal mit Gemecker verbunden, wenn die Wegstrecke für die kurzen Beine dann doch einfach zu lang wurde. So wurde dann für den Familienausflug geplant, nach getaner Wanderung in eine Gaststätte zu gehen. Hei, da freute ich mich immer, Essen gehen, klasse, wer kennt das nicht?

 

Zu trinken gab es meist ein Fanta oder einen süßen Sprudel, Coca Cola war verrufen, giftig, ungesund und sowas gab es nicht. Erst später konnte dann meine Schwester mit dem Spezi den Weg für neue Freuden eröffnen. Man saß um den Tisch, unterhielt sich und dann wurde bestellt. Für mich gab es damals meist eine Kinderportion oder Mama gab etwas von ihrem Essen ab, wenn man wusste, dass es große Portionen gab. Der Magen knurrt und die frische Luft tat ihr Übriges dazu, dass sich ein jeder auf das Essen freute. Die Bedienung brachte das Besteck und das Essen…. Tja, und der kleine Mann hatte plötzlich keinen Hunger mehr! Nö, nichts zu machen. Meine Eltern verstanden die Welt nicht mehr, war doch gerade ich derjenige, der nach Essen rief, als wir noch auf der Wanderung waren.

 

So ging es ein paar Mal, bis meine Mutter dann bei einem Essen nicht locker ließ und mich gehörig durch die Mangel trieb, warum ich JETZT nicht essen will und meist eine halbe Stunde später zu Hause zu Quengeln anfing. Und da kam dann meine ganze Überwindung zum Einsatz, den Kern des Problems unumgänglich zu nennen: Ich habe kombiniert, dass ja das Besteck auch andere Leute benutzen… die haben dann ja auch die Gabel im Mund…. und den Löffel…. und…. das ekelte mich! Meine Mutter lachte zuerst, aber irgendwie konnte sie das nicht glauben, dass ich all die Zeit diesen Umstand nicht gesagt habe.

 

Problem erkannt, Problem gebannt. Also wurde jetzt das Besteck, das die Kellnerin brachte, zuerst intensiv mit einer Serviette gereinigt und gewienert, dass gewährleistet war, dass nichts, aber auch wirklich nichts mehr an der Gabel oder dem Löffel hängen konnte. Welch eine Erleichterung ging da durch mich, endlich… endlich konnte ich mitessen!!!

 

Das Lustige an der Sache war dann, dass wir einmal Essen waren und die ältere Bedienung mitbekommen hat, wie meine Mutter das Besteck „nachreinigte“. Sie lächelte nur rüber und sagte: Ach, haben Sie auch so einen jungen…! Viele Jahre lang musste ich mir das anhören, wie empfindlich ich war, wenn es um fremdes Besteck ging. Selbst heute noch sitzen wir drei Kinder  manchmal zusammen und ich höre dann so einige Geschichten, die damals schon mein Leben schrieb.

 

Heute, so ein paar Jährchen später muss ich gestehen, hat sich mein Empfinden auch durch Hunde, Katzen und eigene Kinder völlig verändert. Mich bringt so schnell nichts mehr aus der Ruhe, den Ekel und den damit verbundenen Würgereiz kann ich heute sehr gut kontrollieren und auch den Verstand für die schlimmsten Momente ausschalten.