Schiiiiifoan…. !

 

 

Ich war insgesamt gesehen ein sehr sportlich ambitionierter Mensch, sodass ich mich in vielen Sportarten und Aktivitäten bewegte. Skifahren war jetzt so als Kind und Jugendlicher mehr das Ergebnis der verzweifelten Versuche meines Vaters, seinem Sohn das kontrollierte Gleiten auf Holzbrettern auf viel zu kurzen Hügeln mit drückenden Stiefeln und kalten Klamotten beizubringen. Ja, unser Vater wollte uns schon viele Türen öffnen und hat sich stets bemüht. Teilweise mit größerem Erfolg, oft aber reichte es über die ersten Versuche nicht hinaus.

 

So war ich als Jung-Jugendlicher eher ein sehr schlechter Skifahrer, was aber durch einen Skiurlaub mit meinen Eltern in Balderschwang einen gewissen Schub nach vorne bekam, weil der Sohn eines befreundeten Ehepaars meiner Eltern Skilehrer war und uns in dieser Woche ein klein wenig mehr Skifahren beibringen sollte. Zumindest gingen davon seine Eltern aus. Gut, bei mir ist zumindest etwas hängen geblieben, wenn man weiterkommen will, muss man auch mal die Angst vor dem Hang überwinden.

 

So kam dann kurze Zeit später die Skifreizeit von der Schule, in der ich dann tatsächlich Freude an roten Abfahrten bekam, so langsam mit den Skiern nicht mehr auf Kriegsfuß stand und tatsächlich auch mal eine Abfahrt ohne Sturz absolvieren konnte.

 

Auf diesem Stand des „Parallel-Umsteigeschwungs“ bin ich dann lange Zeit stehen geblieben. Es gab keine Skilehrer mehr, mit denen ich unterwegs war und die, die besser fahren konnten als ich, haben mir natürlich nicht wirklich sagen können, was ich denn da falsch mache. War mir auch längere Zeit egal, machte mir die Sache doch recht viel Spaß, so, wie sie lief! Ich traute mich auch schon mal an leichte schwarze Abfahrten, ich hab die auch überstanden, allerdings eben nicht mit der Leichtigkeit, wie ich sie eben gerne gefahren wäre. Bis wir mit der Abteilung für drei Tage ins Montafon gefahren sind. Da war Heike mit dabei, eine aufgedrehte Tussi, arrogant und überheblich in einer Person, aber ein „Schiehaserl“ in Perfektion! Die konnte tatsächlich so gut fahren wie sie angezogen war, was bei mir nicht ganz so zutraf. Naja, vielleicht schon ein wenig, denn soo modern waren meine Klamotten nun auch nicht.

 

Komischerweise taute diese Person auf den Brettern richtig auf. Sie wurde plötzlich umgänglich und handzahm, sodass es richtig Spaß machte, in ihrer Gruppe mitzufahren. Jaaaa, die Gruppe fuhr voraus und ich bin dann auch immer irgendwann angekommen. Und nein, es scheiterte nicht an der Kondition, die war da, es scheiterte einfach daran, dass mit  steigender Geschwindigkeit  die Fähigkeit zum Einsatz der gelernten Technik nachließ. So war es dann mein Vorteil, dass ab Mittag ein paar Kollegen an die Reserven ihrer Kondition stießen, sodass ich eine gute Chance hatte, wieder mithalten zu können.

 

Am nächsten Morgen geschah dann die Überraschung: Heike kam zu mir her, schaute mich über den Brillenrand Ihrer verspiegelten Sonnenbrille an und meinte: Hey, du schlägst dich ja ganz wacker, wäre es dir recht, wenn ich dir ein paar Tricks zeige, damit du etwas leichter unterwegs bist?

 

Hei, Leute, ich, der eher Unscheinbare mit dezenten Farben an den Kleidern wurde von unserem Paradiesvogel angesprochen und mir wurde offeriert, in die schillernde Welt der Profis aufzusteigen! Aber ich sag euch, das war sowas von aufregend…. Etwas  bis völlig überrumpelt von diesem Angebot stammelte ich fast schon verlegen auf den Boden schauend zuerst ein paar sinnlose Wortkombinationen vor mich hin, bis ich einmal durchatmete, ihr in die Augen schaute und meinte: Heike, wenn du der Meinung bist, dass an mir noch nicht Hopfen und Malz verloren ist, dann bin ich zu jeder Tat bereit, die mein Ansehen auf zwei Brettern voranbringt!

 

Heike lächelte mich an, schob mit dem Finger ihre Brille auf die Nase, ergriff den Stock, glitt völlig auf Wolken gebettet einmal um mich herum, blickte sich kurz um und sagte nur: Folge mir mit Abstand. Wir fuhren ein Stück weg von der Bergstation an den Rand der Piste und noch zwei weitere Kollegen gesellten sich dazu, mit denen ich täglich zusammenarbeitete.

 

Aufgereiht wie die Perlen standen wir da und Heike machte eine kurze Ansage, dass sie mir schnell zeigen will, wie der Parallelschwung funktioniert, dann können wir weiterfahren. Öha… bin ich jetzt schon so gut, oder war das mit dem „Beibringen“ eher die Abreibung, dass an mir doch alles verloren ist? Sie kam her und zeigte mir mit ihrem Stock, wie ich meine Haltung anpassen muss. Dann fuhren wir genau eine Linkskurve und eine Rechtskurve und sie begann mir ganz genau zu erklären, was ich mache, wie ich mein Gewicht verlagere, und wie ich es richtig machen muss. Es klang so einfach, es war kaum anders als das, was ich vorher gemacht habe. Ich fuhr los und unter vielen Kommandos machte ich meine Kurven…. links….rechts….links….rechts…. Uih…. Das geht!

 

Ob ihr es jetzt glaubt oder nicht, trotz so viele Hilfestellungen in alle den Jahren hatte ich es nie geschafft, einen so eleganten, leichten Parallelschwung zu fahren und hier kommt eine Frau an, kann mir sagen, wie ich es mache und genau sagen, wie ich es ändern muss und plötzlich funktioniert das! Ich war so überwältigt, dass ich zu jubeln anfing, wie geil eigentlich Skifahren sein kann! Wir fuhren den ganzen Tag wie die Wilden rauf und runter und mit jeder Abfahrt ging die neue Technik in Fleisch und Blut über. Hätte mir einer vor dem Ausflug gesagt, dass Skifahren so einfach sein kann, den hätte ich für verrückt erklärt.

 

Mit dieser neuen Lebenserfahrung stürzte ich mich in diesem Jahr in ein Skiereignis nach dem anderen. Mir machte plötzlich jede Piste Spaß, egal ob flach oder steil, egal ob gewalzt oder buckelig, es war wie der Himmel auf Erden! Und in diesem Zuge hat mein Kumpel ein 4-Tage-Wochenende in St. Moritz aufgerissen, zu dem praktisch keine Touristen dort sind und somit alles in wirklich erschwinglichem Rahmen abläuft, ein gutes Hotel bezahlbar bleibt und die Skilehrer sich auf die Saison vorbereiten konnten, wir sozusagen die ersten Opfer des Jahres werden sollten.

 

Ich sag euch, das waren 4 Tage, die werde ich nie vergessen. Das war wie Sex, Drugs and Rock´n Roll auf einmal! Der Sex war das Essen, einfach köstlich, das Rauschgift die genialen, nicht mehr endenden Pisten und der Rock´n Roll fand abends in der Disko statt! Aber erst der Reihe nach:

 

Jürgen, mein Kumpel, hatte mich einfach mit ihm zusammen in der höchsten Klasse der Skischulen angemeldet. Ich war zuerst entsetzt, wie kann er das machen, so gut bin ich dann doch auch wieder nicht! Seine Begründung: Du kannst gut fahren und in der Gruppe waren die meisten hübschen Mädels…. Ah, jetzt ja… (Wir wollen an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass Jürgen für diesen Urlaub seine Freundin zu Hause gelassen hat, nicht, weil sie keine Zeit hatte, nö, weil er mit mir ohne Frau einen Urlaub machen wollte!) So ging es zum Treffpunkt, mit Skiern, Stöcken und dem ganzen Gerödel, das man da so mitschleppt…. Die Begrüßung vom Skilehrer und den anderen Teilnehmern war sehr herzlich und in der Tat, die Leute in der Gruppe waren sehr nett, adrett und hübsch. Ich hatte damit kein Problem, ich war zu diesem Zeitpunkt ja Singl und für alles offen! Naja, fast alles…

 

Was man hier jetzt mal so erwähnen sollte, um das Bild meiner Person etwas gerade zu rücken, ich hatte mir nach den genialen Erfolgen im Skifahren auch eine bessere Ausrüstung gekauft. Eine echt gute, schwarze Skihose, eine (damals top modische!) türkisfarbene Skijacke mit großer Stickerei auf dem Rücken, hellgraue Skistiefel mit neonfarbenen Schnallen und passend zum Ganzen auch eine fetzige Skimütze. Allein diese Klamotten waren so teuer, ich hätte mir früher niemals sowas gegönnt. Hose, Jacke und Mütze haben vor der Preisreduzierung einen vierstellingen Betrag gekostet. Irre! Ich hatte das Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein und habe alles zusammen für weniger als die Hälfte bekommen. (Aber geil sah es schon aus!!)  Die Stiefel waren auch neu und kamen noch oben drauf. Die höchste Summe an Geld, die ich je für Freizeit ausgegeben hatte. Aber es hat sich bezahlt gemacht. Ich habe nie gefroren in der Hose und Jacke, ich hatte nie große Schwitzattacken in ihr und die Stiefel, die passten wie an meine Füße angegossen. Wenn alle schon jammerten und die Schnallen öffneten, empfand ich alles noch wie Hausschuhe!

 

Gefahren sind wir wie die Teufel, die Skilehrer waren eher mit uns auf der Piste, um nicht allein zu fahren und für uns waren sie die geborenen Wegweiser, die uns Steilhänge und Tiefschneepisten zeigten, auf denen in der Saison die Promis unterwegs sind! Hier im Tiefschnee gab es dann noch mal eine halbe Stunde Anleitungen, aber die restliche Zeit war da ein Schwarm von „Angebrannten“ unterwegs.

 

Um 17 Uhr trudelte dann der komplette Kurs wieder im Hotel ein. Wir waren fix und fertig, das Ausziehen der Stiefel ging nur noch unter gegenseitiger Hilfe und jeder war überwältigt vom Tag und ergriffen von den Muskelschmerzen und der Erschöpfung. Jeder stöhnte leicht vor sich hin bei jeder Bewegung, was in der Gruppe von jedem mit einem Lachen kommentiert wurde. So als Leidensgenossen schweißte dies irgendwie zusammen, keiner kam ungeschoren davon. Und auf Anraten der Lehrer traf man sich nach einer halben Stunde im Schwimmbadbereich zur „Nachbehandlung“, damit wir am nächsten Tag keinen allzu großen Durchhänger hatten. Heißer Wirlpool und kühles Erfrischungsbecken zogen einem zwar die letzten Kräfte aus den Knochen, aber andererseits regenerierte es die Muskeln wieder. Und noch was war bei dem gemeinsamen Bad zu erkennen: Tolle Skikleidung verhüllt die schönen Formen der Frauen…

 

Um 20 Uhr war Abendessen angesagt im großen Saal mit Buffet. Okay, ich kannte ja so Buffetessen schon irgendwie, aber dass wir hier von einem trainierenden Sternekoch verwöhnt wurden, war schon etwas Besonderes. Vorspeisen, Schnittchen, Leckereien so viel man wollte, Hauptgang in allen Variationen, Nachtisch, so lecker, dass man schon zu zweifeln anfing, am nächsten Tag überhaupt noch aus dem Bett zu kommen!

 

So haben wir mit ganz viel Spaß eines der geilsten Skiwochenenden verbracht, die man sich nur vorstellen konnte. Auch wenn wir mitten in den ganzen Skihaserl waren, sind wir alle anständig geblieben. Ob das einfach an der körperlichen Erschöpfung lag, weiß ich nicht, aber irgendwie hatte auch jeder so viel Anstand zu wissen, was man darf/soll und was nicht. Nach diesem Wochenende gab es noch so manche Ausflüge, Urlaube und Touren, bei denen ich mich die wildesten Hänge hinabstürzte, in Frankreich mit 13 Freunden aus der Clique in einem Chalet 12 Wahnsinnstage erlebte. Ich hatte nie etwas gebrochen, jedoch so manche Prellung und Zerrung mir zugezogen. Und im Gegenzug zu machen Freunden und Kollegen rechtzeitig erkannt, wann man langsamer tun muss, weil die Knochen und Muskeln eben doch nicht mehr so gut drauf sind.

 

 

Nachtrag:

Zu einem Mädel hatte ich einen engeren Draht gefunden, wir schrieben und telefonierten oft miteinander und die Bekanntschaft hielt noch zwei Jahre. Wir waren noch gemeinsam beim Klettern für eine Woche in Arco am Gardasee, haben eine wunderschöne zwei-Tagestour durch die Partnachklamm und die umliegenden Berge gemacht sowie mehrere große Rundwanderungen rund um das Murnauer Moos, doch dann zeigte sich plötzlich sehr schnell, dass unsere Lebenseinstellungen in völlig andere Richtungen liefen. Sie wollte sich immer mehr beweisen, immer höher, schneller, weiter, weil sie meinem Empfinden nach die Trennung von ihrem Mann einige Jahre davor nicht verkraftet hatte. Das war alles in den Jahren 1996 und 1997.

 

 

2012 hatte ich die Bilder vom Klettern nochmal wiedergefunden, mich an sie erinnert und wollte wieder Kontakt herstellen. Bei meinen Recherchen fand ich eine Todesanzeige von Ihr, dass sie bereits 2010 an den Folgen eines tragischen Unfalls verstorben war…. Ich wünsche ihr, dass sie jetzt den Frieden gefunden hat, den sie in ihren Abenteuern suchte.